"Ich brauche das schon für meinen Optimismus, dass miteinander reden Einsichten verändern kann. Wenn ich von etwas anderem ausgehen würde, dann würde ich ja selbst mit meinem Kind nicht reden."
Carsten Saß / Lübben, Dahme-Spreewald
Verwaltung mit Herz und Haltung
Wir treffen Carsten Saß. Ein Mann, der leidenschaftlich mit den Mitteln der Verwaltung ländliche Region gestaltet. Immer im Fokus: der Dienst an den Menschen, die ihm anvertraut werden. Respekt und Zugewandtheit sind Prinzipien, die ihn leiten. Egal ob es um psychisch Kranke geht, Arbeitssuchende, Geflüchtete, Corona-Betroffene oder Künstler*innen. Als Dezernent für Soziales, Jugend, Gesundheit und Kultur im Landkreis Dahme-Spreewald versucht er allen, eine Perspektive zu geben. Wegducken gibt es nicht, auch wenn’s schwierig wird. Und er glaubt daran, dass miteinander reden Einsichten verändern kann.
Ein Mecklenburger in Brandenburg
Er selbst ist eigentlich Mecklenburger, gebürtiger Schweriner. Saß gehört im Sommer 1990 zum letzten DDR-Abiturjahrgang. Die Wendezeit beschreibt er als „atemlos“. Er hat das Glück, in einem neu etablierten Studiengang der Rechts- und Staatswissenschaften in Greifswald ohne DDR-Hinterlassenschaften studieren zu können. Eine aufregende Zeit beginnt. Es bleibt spannend, denn mit nur 28 Jahren wird er zum Amtsdirektor im Unterspreewald berufen. 2004 wechselt Saß in sein heutiges Amt als Dezernent, dass er nun – 16 Jahre später – aufgeben wird, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden.
„Verwaltung kann was“
Das sagt Carsten Saß, muss er vielleicht auch. Aber er überrascht uns mit seiner Sichtweise. Um etwas zu bewegen, braucht es Mut und gute Ideen. Aber eben auch Menschen, die Ordnung in Prozesse bringen. Beschleunigung allein ist nicht immer gut, und Entschleunigung ist nicht immer schlecht. Es braucht jemanden, der überprüft ob „das Schnellboot auf dem Weg zum offenen Meer mit halbleerem Tank unterwegs ist“. Vor allem in Krisenzeiten wie beispielsweise in der Corona-Krise beweist sich Verwaltung.
Wegducken, wenn’s kritisch wird, ist nicht mein Ansatz
Zu wissen, es geht bei seiner Arbeit um Menschen, die ihm anvertraut wurden, bringt ihn immer wieder in „produktive Gelassenheit“. Auch wenn seine Aufgaben auf Widerstände stoßen, wie z.B. bei der Unterbringung von Geflüchteten in einer Region, die mit Migration wenig Berührung hatte. Er setzt auf "Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation". Erklären, reden, sich im Zweifel auch beschimpfen lassen. Denn es geht hoch her im Jahr 2015: „er gehöre auf die Guillotine“. Er sagt, er kann unterscheiden zwischen Anfeindungen, die eher seiner Funktion als seiner Person gelten. „Man darf nicht jedem gram sein, wenn er drastische Formulierungen wählt, aber man muss Haltung zeigen“. Und dennoch, er vermisst die Gegenwehr. Selten erscheinen zu den Versammlungen Politiker, und noch seltener Politiker, die sich mit Positionen einbringen. Das beschäftigt ihn auch fünf Jahre danach noch. Wenn wir ihm so zuhören, können wir uns vorstellen, dass ihm das Thema Ansiedelung von Geflüchteten in der ländlichen Region Dahme-Spreewald die Wahl zum Landrat 2015 vermasselt hat. Er hat sich nicht „weggeduckt“.
Nicht „wir gegen die“, sondern „wir miteinander“
Saß spricht sich gegen eine Politisierung des Begriffs „Heimat“ aus. Er weiß aus eigenen Erfahrungen, wie erfüllend es sein kann, eine neue Heimat zu gewinnen. Damit meint er seinen Weggang aus Mecklenburg. Aber sicher auch mit dem Untergang der DDR seiner Jugendzeit etwas Neues in dem vereinten Deutschland gefunden zu haben. Deshalb kann er nur wenig mit der Diskussion anfangen, es gäbe 30 Jahre danach noch eine spezifische Ost-Identität. Er sieht die Unterrepräsentanz. Vermutlich, weil Ostdeutsche den Fokus stärker auf das Machen legen und weniger auf die "Performance". Aber, und das ist ungewöhnlich, ihm ist es wichtig, auch für die Westdeutschen eine Lanze zu brechen. Nicht alle, die in den Osten gingen, waren „Glücksritter“, sondern haben viel Gutes getan, z.B. auch bei der Gestaltung ländlicher Räume. Er ist überzeugt, wir brauchen kein „Wir gegen Die“.
Es gibt nie zu wenig Kultur
Der Kultur-Dezernent ist fest davon überzeugt, dass die Kunst ihre richtigen Plätze schon finde. Deshalb sei die Kultur des Landkreises geprägt durch die Gestaltungslust der Künstler*innen und nicht durch die Planungen der Verwaltung. Er fordert Künstler*innen auf: „Seid mutig. Selbst der ländlichste der ländlichsten Räume ist immer für eine Idee gut.“
Eine Vision für Brandenburg
Wenn wir ihn nach seiner Vision für Brandenburg in 30 Jahren befragen, malt er das Bild eines internationalen Landkreises und spricht von einem viel engeren Verhältnis zwischen Berlin und Brandenburg.